Minimalismus oder Maximalismus – darum ging es im letzten Blog. Beide Lebensstile sind extrem; entweder entsagen wir uns dem Konsum, oder sind exzessiv und zügellos.
In diesem Post geht es um den Mittelweg.
Im Leben geht es – so hoffe ich doch- darum, die Welt mit Genuss und Freude zu erleben.
Und ja, auch darum, zu konsumieren was uns Freude bereitet.
Lasst uns also Mal auf eine alte Tradition und deren ethischen Gebote zurückgreifen; Yoga und das Gebot, sich zu zügeln.
Was ist Yoga
Wenn ich an Yoga denke, dann dann denke ich zuerst die Asanas, also die Posen bzw Körperübungen. Das ist auch ein sehr wichtiger Baustein des Yogas. Jedoch ist Yoga nicht nur Bewegung. Yoga ist ein Allumfassender Lebensstil, der viele Tausend Jahre alt ist (es wird geschätzt, dass Yoga etwa 3500 Jahre alt ist, aber so genau konnten es Historiker nicht festmachen).
Yoga hat verschiedene Gabelungen; So gibt es Hatha Yoga, Ashtanga Yoga, Bhakti Yoga, Kundalini Yoga, Kriya Yoga, Dharma Yoga und viele viele weitere Arten, wie Yoga weltweit praktiziert wird.
Wer nach „dem Yoga“ im Internet suchen sollte, wird vor allem die Körperübungen finden, das wird Yoga jedoch nicht gerecht. Das sportliche Programm ist ein winziger Ausschnitt einer riesigen, allumfassenden Lebensweise.
Yoga nach der Definition von Pantanjali im Buch „Yogasutras“, das kurz vor oder nach Christus geschrieben wurde, ein Klassiker für jeden Yoga-Lernenden (hier gibt es mehr Infos zu den Yogasutras) besteht aus acht Gliedern (auch: Acht Blütenblätter oder acht Stufen), die sich zusammensetzen aus;
Yamas – den Umgang mit und in der Welt („ethische Gebote“)
Niyamas- unser Umgang mit uns Selbst
Asanas- Unser Umgang mit den Körper; Die Posen im Yoga
Pranayama – unser Atemfluss/ die Lebensenergie die durch unseren Atem fließt
Pratyahara – Unsere Sinne, und das Zurückziehen von diesen
Dharana – Konzentration
Dhyana – Meditation
Samadhi – das Höchste, das All-Eins. Dies ist das Endziel bei unserer Yoga-Reise. Es ist der Zustand höchster Konzentration, bei der keine Konzentration mehr Notwendig ist. Wir könnten es auch „den Flow“ nennen. Hier vergessen wir Zeit und Raum und gehen voll in uns auf.
Die Yamas und Brahmacharya
Brahmacharya ist eines der Yamas im Yoga. Das Wort Yamas kommt aus dem Sanskrit. Manche nennen Sanskrit auch die Sprache der Engel – und ich bin sicher, dass jeder, der schonmal eine Yogastunde besucht hat einige Wörter in Sanskrit gehört hat. Es ist eine Uralte Indo-Europäische Sprache.
Zu den Yamas gehören;
Ahimsa- Frieden, Gewaltlosigkeit
Satya – Wahrheit
Asteya – Nicht stehlend / Begierdelos
Brahmacharya – Zölibatär, Enthaltsam
Aparigraha – Nicht häufend, Bescheiden
Diese Gebote sind nicht nur im Yoga, sondern auch in so gut wie jeder Religion zu finden – nur eben in anderer Formulierung.
Im Yoga finde ich diese Gebote ganz besonders bezaubernd, weil sie nicht wie Regeln gehalten werden, sondern weil sie an unseren inneren Frieden und unsere eigenes Wesen appellieren. Es geht nicht darum, Gott nicht wütend zu machen. Es geht um uns.
Sobald wir etwas wie Regeln abhandeln, sinkt die Motivation und ja, manchmal wollen wir rebellisch sein und keine Schäfchen.
Gerade aber beim Yoga, das schon so eine alte Tradition hat, ist die Motivation zum Dranbleiben und danach leben hoch und inspiriert dazu, eine bessere Version unserer Selbst zu werden.
Für mich ist gerade das Gebot der Enthaltsamkeit eine besondere Herausforderung.
Brahmacharya bezieht sich hier nicht nur auf Enthaltsamkeit im sexuellen Sinne, sondern kann wie ein roter Faden auf jeden Bereich unserer Lebens angewandt werden; vom Essen hin zum Konsum, über den Schlaf und alles dazwischen.
Wenn wir uns enthalten und moderat sind, dann brauchen wir nicht zu entsagen. Nein, darum geht es nun wirklich nicht. Es geht darum, zu genießen.
Brahmacharya beim Essen
Schonmal zu viel gegessen, weil das Essen so gut war?
Da erkennen wir, warum Brahmacharya uns gut tut.
Essen ist doch so viel mehr als nur Brennstoff oder Nahrungsaufnahme. Essen ist Genuss mit allen Sinne. Idealerweise farbenfroh und ästhetisch angerichtet ein Traum für die Augen. Duftend betört es die Nase. Der Geschmack verführt uns und wenn wir besonders achtsam sind, hören wir auch das knuspern beim Essen. Ja, Essen ist ein Fest für alle Sinne.
Durch meine (mittlerweile nicht mehr vorhandene) Essstörung kann ich gerade zum Thema Essen einiges erzählen und weiß, wie wichtig es ist, unserer Nahrung einen angemessenen Stellenwert zu geben.
Wenn wir zu viel Essen – genießen wir denn dann mehr? Mitnichten. Wenn wir zu viel essen, dann nicht, weil wir mehr davon genießen, sondern weil das Essen uns beherrscht. Wir reden uns ein, dass der nächste Bissen uns genau so sehr verführen würde, wir ihn genau so sehr genießen würden, wie den ersten Bissen. Doch sie ist das nicht. Anstatt dass wir unsere Sinne beherrschen, anstatt dass wir wirklich genießen, werden wir beherrscht vom Essen. Wie ein Junkie, der immer und immer wieder das High von seinem ersten Schuss empfinden will. Es ist ein hinterherjagen ohne die Chance auf Erfolg.
Das ist der Unterschied von Genuss und Sucht. Und das ist, warum wir mit achtsamer Enthaltsamkeit das Leben so viel tiefer spüren werden.
Warum sollten wir uns überhaupt Mäßigen?
Wenn wir die Mitte dieser beiden finden, dann finden wir die Balance, nicht nur zu uns selbst, sondern auch zu unserem Leben.
Zu viel Essen macht uns müde, und anstatt dass unser Essen uns Energie spendet, raubt es uns diese. Ein zu viel des Konsums von Fernseher, Nachrichten, Trinken, Shopping, aber auch Sex oder Nähe wirkt sich unmittelbar auf unser Wohlbefinden aus.
Das, was wir genießen wollten, nimmt Besitz von uns.
Bei Brahmacharya geht es darum, Herr unserer Impulse, Instinkte und Begierden zu werden.
Es geht um Disziplin, Willen und Entschlossenheit. Und es geht um Balance. Es geht darum, das Leben voll und ganz zu spüren.
Um spirituell zu leben, müssen wir nicht dem Leben entsagen und in Abgeschiedenheit in den Bergen verweilen – es sei denn natürlich, wir wollen das.
Stattdessen geht es darum, den Reichtum im inneren zu finden. Und den finden wir manchmal eben nur dann, wenn wir uns zügeln.
Der Januar – mein Brahmacharya Monat
Für mich eine ganz besondere Herausforderung: Ein Monat kein Online Shopping. Der Januar ist für mich der Monat, in dem ich mich Selber zügle. Der Kick den ich beim Online Shopping empfinde, und wenn die Action losgeht nach dem der Postbote bei uns klingelt, werde ich den Januar über nicht fühlen. Jeder hat hier seine ganz eigenen Herausforderungen – und für mich ist Online Shopping seit langem ein sooooo Serotoninbeladener Bestandteil in meinem Leben, dass ich den Entzug bereits gespürt habe, bevor der Brahmacharya Monat losging. Das wiederum zeigt mir, dass ich das Online Shopping nicht im Griff hatte, sondern es als Suchtmittel genutzt habe, um auswärtig etwas zu finden, das mir gut tut.
Das Gute; jetzt habe ich an den Nachmittagen mehr Zeit zu meditieren, weil ich nicht nach neuen Shopping-Gadgets surfe.
Dein Take-Away
Zu viel Essen, zu viel Schlafen, zu viel Konsum. Manchmal finden wir uns in Situationen, in denen unsere Disziplin uns verlässt. Oder in denen wir das Glück im Außen suchen -ganz besonders beim Konsum, Sex oder Essen.
Wenn du ganz achtsam beobachtest, erkennst du dann die Motive hinter deinem „zu viel“?
Woran, denkst du, könnte das liegen? Und welche Alternativen würden dich glücklich machen?